Das Finale von Game of Thrones wird von einem Teil der Fans harsch kritisiert. Selbst der Neudreh der achten Staffel wird bereits gefordert.
Dabei wurden Plot-Fäden in nie da gewesener Zahl kunstvoll verwoben. Man muss nicht mit jeder einzelnen Verknüpfung einverstanden sein, kann aber das Gesamtkunstwerk durchaus zu schätzen wissen.
Besonders gelungen ist die Auflösung des zentralen Konflikts von Eis und Feuer:
Das Lied von Eis und Feuer
Mit dem Titel der Buchvorlage legte George Martin bereits 1996 die zentrale Finte aus. Nach den genretypischen Erzählmustern rechnen wir bei »Eis und Feuer« mit einem Gegensatz. Einem epochalen Kampf zwischen den Mächten der Finsternis (Eis) und des Lichts (Feuer).
Und genau den gibt es in der Serie nicht.
Da wir aber seit dem Herrn der Ringe dieses immer wiederkehrende Erzählmuster kennen und damit rechnen, funktioniert die Finte so gut, dass sie uns siebeneinhalb Staffeln lang hinters Licht führt.
Frühe Hinweise
Dabei gab es schon früh die Chance zu ahnen, dass da etwas nicht stimmt. Da sind der Nachtkönig nebst Zombiehorde und der Gesichtslose Gott – unbestreitbar böse.
Aber ist die Gegenseite wirklich besser?
Melisandre, die Priesterin des Feuergottes, begegnet uns als dämonengebärende Hexe, die sich munter durch Westeros mordet.
Und auch Daenerys´ Drachen, die zweifellos für das Feuer stehen, fallen dadurch auf, dass sie unschuldige Kinder fressen.
Doch wenn Eis und Feuer nicht für Gut und Böse stehen – wofür dann?
Für das Eis ist die Frage einfacher zu beantworten.
In der Kurzfassung: Das Eis ist das Prinzip der Negation, der Lebensverneinung. Der Winter ist das symbolische Lebensende, Tod und Vergessen sind die Negationen von Leben, Denken und Fühlen. Der Gesichtslose Gott als Entität hinter dem Nachtkönig ist schließlich die Negation von Personalität.
Wenn Eis für (Lebens-)Verneinung steht, steht dann das Feuer für Lebensbejahung?
Nein!
Das genau ist George Martins Finte.
Von Walen und Wanderern
So wie man in unserem Kulturraum kaum durch die Schule kommen kann, ohne mal etwas von Goethe und Schiller gehört zu haben, so lernen Schüler im angelsächsischen Kulturraum Moby Dick kennen.
Herman Melvilles Roman erzählt, wie Kapitän Ahab den weißen Pottwal Moby Dick verbissen jagt, bis er selbst bei dieser Jagd den Tod findet.
Daenerys´Jagd auf den Weißen Wal
Der Weiße Wal = die Weißen Wanderer?
Lassen wir Kapitän Ahab selbst zu Wort kommen. In Kap. 52 von »Moby Dick« betrachtet er einen sterbenden Wal, der mit letzter Kraft die Sonne anblickt. Ahab dazu:
»Er ist auch ein Feueranbeter. Er ist ein getreuer, ergebener Vasall der Sonne!«
Ahab gibt sich hier indirekt als Feueranbeter zu erkennen. Er wähnt sich auf der Seite des Guten, der Sonne. Seine Grausamkeit und Kompromisslosigkeit dem Weißen Wal gegenüber sei gerechtfertigt als Sühne für erlittenes Unrecht. (Der Weiße Wal hat Ahab ein Bein gekostet.)
So auch Daenerys: Feuer und Blut ist das Motto der Targaryen. Rache und Vergeltung. Daenerys hat Missandei verloren. Daenerys hat zwei ihrer »Kinder« verloren. Daenerys setzt wie alle Feueranbeter auf die reinigende Kraft des Feuers. Mit diesem wurden schon Hexen verbrannt, um ihnen den Teufel auszutreiben.
Und Daenerys steht der Inquisition in Kompromisslosigkeit und Grausamkeit in nichts nach. Mit der Hartnäckigkeit eines Käpt´n Ahab kämpft sie für das Gute. So unerbittlich, so gnadenlos, dass sie selbst zur Bösewichtin wird.
Es ging nie um Gut gegen Böse
Der Drache ist schon in der Bibel das Symbol des Teufels. »Feueranbeter« wie Ahab, der irre König oder auch Daenerys sind also symbolisch dem Teufel verfallen.
»Das Lied von Eis und Feuer« benennt also nicht den epochalen Kampf von Gut gegen Böse. Es benennt zwei Prinzipien des Bösen.
Eis ist das verneinende Prinzip. Böse durch Nihilismus. Die Entwertung aller Werte.
Feuer ist das zu stark bejahende Prinzip. Die Setzung eines absoluten Guten. Und damit (indirekt) die Abwertung aller anderen Werte – einschließlich des menschlichen Lebens.
Man kennt dieses Muster:
Der Mechanismus dieses Bösen ...
... ist immer der Folgende: Wenn ein Gut als absolutes Gut gesetzt wird, ist das scheinbar die allerhochwertigste Moral.
Tatsächlich aber ist ein absolutes Gut immer wichtiger als alle anderen Güter. Das heißt, es entfällt etwas für Ethik Unverzichtbares:
Die Abwägung/der Kompromiss zwischen verschiedenen ethischen Gütern. (Freiheit und Sicherheit, Gerechtigkeit und Mitleid etc.)
Das menschliche Leben selbst wird gegenüber dem absoluten Gut zum nachrangigen Gut. Man lässt es im Zweifel also im Dienste einer höheren Sache über die Klinge springen.
Aus dieser Logik heraus sagt Daenerys nach der Schlacht von Königsmund auf einem Berg von Leichen: Ich habe die Menschen befreit.
Und aus dieser Logik heraus will sie den Krieg weiterführen.
Das Absolute ist niemals erreicht. Das Blutbad zu seiner Vorbereitung wird niemals enden.
Das Lied von Eis und Feuer ist nun vollendet.
Es erzählt die Geschichte des Bösesten allen Bösens:
Des Bösen, das sich als das Gute tarnt.
Was wird aus den Game-of-Thrones-Nachfolge-Serien? Wie geht es weiter mit Westeros?
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