Seit der erste Mensch den haarigen Hintern vom Baum herabbewegte, ist er das Wesen, das die Welt auch anders denken kann. Wünsche, Träume, Hoffnungen und Ängste malen ihm aus, was jenseits seiner
Augen verborgen ist.
Es entstanden die frühen Naturreligionen, in denen der Frühmensch die Umgebung mythologisierte: In jenen alten Tagen war die Erde noch voll von Fluss- und Baumgeistern, böse Geister sprachen
durch die Flammen und in der freien Natur gab es nichts, was nicht beseelt war.
Solche Vorstellungen kristallisierten sich zu Geschichten aus, die den Charakter von Sagen und Legenden annahmen. Der größte Teil davon liegt im Dunkeln, denn die Schrift harrte noch der
Erfindung und so sind die ersten großen Erzähler der Menschheit zugleich die ersten Opfer ihres schwachen Gedächtnisses.
Das änderte sich mit der Entwicklung der Lettern. Eines der frühesten Zeugnisse, von dem wir heute wissen, ist das Gilgamesch-Epos. Auf fast viertausend Jahre alten Tontafeln sind Fragmente der
Geschichte überliefert, die von Gilgamesch handelt, dem König, der alle anderen Könige übertraf. Auch die weiteren Überschriften verraten manches: Gilgamesch und die jungen Frauen,
Gilgamesch und der Himmelsstier, Gilgamesch, Enkidu und die Unterwelt.
Der heutige Fantasy-Leser erkennt bereits wichtige Zutaten. Da wären der überlegene Heroe, einige Damen mit Sex-Appeal (der Barbarinnen-BH der 70er-Jahre Fantasy-Pornos war allerdings noch nicht
erfunden) und fantastische Wesen und Schauplätze mit überirdischen Kräften.
Auszug aus dem Gilgamesch-Epos. Man beachte die sexy Kuh im letzten Vers:
Überragend ist er weit voran den Königen, der
Ruhmreiche von schöner Gestalt,
Der heldenhafte Abkömmling von Uruk, der stößige Stier.
Er geht voran, ist der Allererste;
Er geht hinterher, ist die Stütze seiner Brüder,
Ein starkes Kampfnetz, der Schirm seines Heerbanns;
Eine wilde Wasserflut, die Steinmauern zerstört,
Sproß des Lugalbanda, Gilgamesch, der an Kräften Vollkommene,
Kind der erhabenen Kuh Rimat-Ninßun.
Für die griechische Kultur des Altertums lässt sich der weitere Gang der Dinge gut ablesen. Die Verehrung der antiken Vielgötter Zeus & Co fand in Form von Festspielen vor Publikum statt. Mit
der Zeit wurden die Veranstaltungen geskriptet. Aus diesen Niederschriften entwickelte sich eine neue Literaturform: das Drama. Jetzt waren Götter und Fabelwesen zwar Teil der Handlung, aber ihre
Anbetung nicht mehr Ziel der Darbietung. Es entstand Literatur mit einem eigenen Daseinszweck. Die Menschen strömten ins Theater, sie suchten Unterhaltung und geistige
Anregung.
Diese Emanzipation der Literatur von der Religion wurde durch das Mittelalter schwer geschädigt. Die Massenbildung sank auf Gollum-Level, Erzählkunst in Schriftform pflegte man nur noch
vereinzelt an Fürstenhöfen. Zugleich drückte das Christentum unbarmherzig zu und verteufelte alle jenseitigen Vorstellungen, die nicht ins kirchliche Dogma passten. Weise Frauen mutierten zu
Hexen, Naturgeister zu Aberglauben und Alchemisten zu Teufelsanbetern.
Doch die Volksdichtung verschwand nie völlig. Dazu waren die Winterabende zu lang und die Erfindung des Kabelfernsehens noch zu entfernt. Es entstand das Märchen als eigenständige Gattung, das
wichtige Zutaten der Fantasy-Literatur bewahrte. Fabelwesen, sprechende Tiere (als legitime Nachfahren der Tiergeister) und reichlich Zauberei. Daneben hielt sich auch ein häretischer Aberglauben
um schwarze Katzen, Kobolde und böse Geister. Hier ist zum Beispiel die Quelle des Vampirmotivs zu finden, deren Urahnen Wiedergänger waren, die einfach nicht sterben wollten oder Nachzehrer, die
es auf die Lebenden abgesehen hatten.
Anfang des 19. Jahrhunderts sammelten die Brüder Wilhelm und Jacob Grimm ihre berühmten Märchen. In einer Zeit, als Europa noch von der Aufklärung (und deren blutigen Auswüchsen) geprägt war,
setzten sie ganz auf die Dichtung und Fantasie der Ungebildeten.
Der Teufel mit den drei goldenen Haaren:
Als der Abend einbrach, kam der Teufel nach Haus. Kaum war er eingetreten, so merkte er, dass die Luft nicht rein war. "Ich rieche, rieche Menschenfleisch", sagte er ...
Die Grimms arbeiteten als Bibliothekare und verdienten sich mit ihrem zahlreichen literarischen Abhandlungen die Ehrendoktorwürde der Universität Marburg. Auf die Gebrüder geht auch das bis heute
anhaltende Missverständnis zurück, Märchen seien nur etwas für Kinder. Sie zensierten nämlich, was das Zeug hielt. Sexuelle Anspielungen, Zwei- und Eindeutigkeiten schlüpfriger Natur wurden
systematisch aus sämtlichen Märchen verbannt. Während einerseits unanständige Körperteile mit Vehemenz bekämpft wurden, blieben andererseits Mord und Totschlag erhalten.
Eine Prägung, die man noch in Tolkiens Herr der Ringe wiederfindet. Da wird drei Bände lang munter gemordet und zerhackt. Dafür bleiben alle Elbinnen bekleidet - zur Wahrung der guten
Sitten, versteht sich. Orks treten in weiblicher Form nicht einmal auf. Zugegebenermaßen fällt es ab einem gewissen Hässlichkeitsfaktor aber auch schwer, die Geschlechter
auseinanderzuhalten.
Teil II des Artikels »Woher kommt eigentlich Fantasy?«
befasst sich mit der jüngeren Vergangenheit.
Teufel: Fantasy-Thriller
Der Teufel ist hier!
Luzifer offenbart sich. Und die Welt ist geblendet. Journalist Tabarie berichtet für gewöhnlich über Lokalpolitik und Kleinkriminelle. Doch nun traut er seinen Augen nicht, als der Engel der Finsternis selbst erscheint und mehr und mehr Menschen dem Bösen verfallen. Kann Tabarie den Teufel noch aufhalten?
Der Journalist ermittelt in dem verzweifelten Versuch, Satans Plan zu durchschauen.
Aber was ist es, dass die Menschen so anfällig für das Böse macht? Warum sind sie so leicht verführbar?
Ein spannender Fantasy-Thriller, der uns entführt von den Türmen des Kölner Doms bis in die Gewölbe unter dem Vatikan.
Für alle, die immer schon sehen wollten, wie die Welt zum Teufel geht ...