Aktuelle Trends in der Fantasy-Literatur

Warum man jeden Trend verpennt

Harry Potter
Haare weg, Nase weg - Wer dunkler Lord werden will, muss Opfer bringen ...

Seit Jahren wird die Fantasy-Literatur von Megatrends beherrscht. Zaubernde Internatsschüler, Vampir-Lover und Dystopien, wohin das Auge blickt. Gemeinsam ist allen Trends, dass wenige Bücher riesige Bücherlawinen inklusive medialen Begleitgerumpels auslösten.

Nachdem Joanne K. Rowling den kleinen Harry Ende des letzten Jahrtausends zaubern ließ, wurden Massen von Jungzauberern durch Internate gejagt. Und manchmal - man beachte den kreativen Schub - wurde das Motiv auch zu jungen Hexen variiert.

Während Rowlings Haus sich längst dem Inneren von Dagobert Ducks Geldspeicher annähert, fragt sich der geneigte Leser, was eigentlich einen solchen Megabestseller ausmacht.

Sicher, manches fällt ins Auge, kaum dass man Harry Potter aufschlägt: Das Buch ist einfach vergnüglich zu lesen. Über lebendige, bildreiche Sprache, emotional bewegende Ereignisse und andere Eigenschaften gelungener Bücher ist schon vieles gesagt worden. Es soll hier nicht wiederholt werden. Denn das ist gar nicht der Trick. Neben Frau Rowling gibt es Tausende von Autoren, die ebenfalls sehr lesenswerte Bücher verfasst haben. Aber keiner von ihnen hat diesen enormen Trend begründet.

Was macht so einen Trend aus? Wie kann man ihn im Ansatz erkennen?

Es ist doch auffällig, dass nach Stephenie Meyers Biss-Reihe massenhaft übernatürlich geliebt wird. Da werden munter Vampire angeschmachtet, Werwölfe beflirtet, und seit einiger Zeit sogar leicht modrige Zombies begehrt. (Geist besiegt Materie. Die Kraft der Liebe. Man kennt das.)

Schauen wir auf jene, deren Job es ist, solche Entwicklungen aufzuspüren. Die Lektoren der großen Buchverlage hängen ihre Nasen in den Wind, um eine neue Brise so früh wie möglich von einem lauen Furz zu unterscheiden. Aber auf jeden ihrer Treffer kommen mindestens hundert Fehlschläge. Von Harry Potter weiß man, dass er zunächst abgelehnt wurde. Gerüchten zufolge schlägt der zuständige Lektor heute noch mit dem Kopf gegen die Wand.

Biss zum Morgengrauen
Oh Edward, du bist bleich, tot und trinkst Blut. Bist du ein Vampir? - Na, das wollen wir aber jetzt nicht überbewerten.

Das Ende des Vampir-Trends behaupten die Verlage nun schon seit vielen Jahren. Amazon listet unter dem Stichwort »Vampir« aktuell 13.020 Bücher. So erfolglos wäre ich auch gerne mal. Die gleichen Verlage behaupteten, auf den Vampir-Trend folge nun der große Zombie-Trend. Machen wir auch hier den Amazon-Check. Derzeit schlurfen 3.565 Zombies durch die Bücherregale. Zweifellos ein Trend, aber nicht annähernd so groß wie vorhergesagt. Und dabei müssten es die Verlage doch eigentlich wissen. Sie sitzen nicht nur direkt an der Quelle, sie können ihre Vorhersagen sogar selbst erfüllen! Wenn alle mit einem Zombie-Trend rechnen, nehmen sie entsprechende Bücher ins Programm und bestätigen damit praktischerweise ihre Prophezeiung gleich selbst.

Ist das das Geheimnis? Wird ein Trend einfach das, wovon alle glauben, dass es einer wird?

Nein, das verlagert das Problem ja nur von weißem Papier in graue Hirnmasse. Warum sollten denn plötzlich alle mit einem bestimmten Trend rechnen?

Die vielen Fehlgriffe der Lektoren legen eher einen anderen Verdacht nahe. Es gibt gar kein durchschaubares Muster. Die Expertise der Verlage ist mehr eine Spekulatise. Und manchmal, wenn der Glücksgott gute Laune hat, bumms - ist der Bestseller da.

Also alles bloß Zufall?

Das glaube ich auch nicht. Ich glaube, dass auf die Frage nach dem Trend nie eine zufriedenstellende Antwort gefunden wurde, liegt daran, dass schon die Frage falsch gestellt ist.

Was ist denn ein Trendsetter?

Ein Trendsetter ist jemand, der einen Trend begründet.

Und was ist ein Trend?

In unserem Fall ein spürbares Anziehen der Nachfrage nach bestimmten Büchern.

Der Trendsetter wird also erst zum Trendsetter durch die Menschen, die ihm folgen. Leser, Buchkäufer, Autoren, die sein Werk kopieren und Medien, die das Phänomen aufgreifen. Damit ist die Frage nach dem Erfolgsrezept aber unsinnig. Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Buch geschrieben - oder auch seine Marketingkampagne erdacht - wurde, war das Buch noch kein Trendsetter. Merke: Den Trend macht die Masse und nicht der Einzelne. Es muss also in die Irre führen, bei Autoren oder Verlagen nach der Ursache des Trends zu suchen. Sie haben ihn nicht gemacht.

Tatsächlich muss man stattdessen fragen, warum es der Masse gefällt, sich kollektiv zu verhalten.

Eine Frage, die zu ganz unliterarischen Ergebnissen führt. In einer Zeit immer größerer Individualisierung und zunehmenden Pluralismus´ ist der Megatrend der letzte Hort eines wohligen Gemeinschaftsgefühls: Ich bin einer von uns.


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