Markus Tillmanns

Als zwölfjähriger Knirps schleppte ich den Herrn der Ringe zur Tafel. Die ganze Klasse sah mich erwartungsvoll an. Stellt euren Mitschülern ein Buch vor!, hatte der Lehrer gesagt. Okay, er wollte ein Buch haben. Er sollte ein Buch bekommen.

Vorne spießten mich die Blicke der anderen auf. Und von dem Mann hinterm Pult ging ein muffiger Geruch aus.

Ich referierte.

Ich erzählte von dem kleinen Frodo und seiner großen Aufgabe.

Ich fing den Zauber Mittelerdes mit Worten ein, malte ihn aus und entließ ihn wieder in die Freiheit.

Zehn Minuten lang tat ich mein Bestes, hochrot und mit notdürftig überspieltem Zittern.

Dann endete ich und es war nur noch still.

Ich sah meinen Lehrer an.

Der erwiderte den Blick über die Lesebrille hinweg. Er schien noch nachzudenken. Ich hoffte, er würde endlich etwas sagen, damit ich zurück zu meinem Platz durfte. Er sagte auch schließlich etwas.

»Markus, ich bin schon ein bisschen enttäuscht, dass ausgerechnet du mit so einem Buch kommst.«

Ich stand da wie versteinert und hörte ihn sein Urteil fällen.

»Fantasy, das ist doch nur Wirklichkeitsflucht.«

Als ich zu meinem Stuhl zurückkehrte, da schlich ich vom Platz wie einst Marie-Antoinette nach der Enthauptung.

 

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich begriff, dass ich eine Schlacht, aber nicht den Krieg verloren hatte.

Fantasy, das ist doch nur Wirklichkeitsflucht.

All die großen Erzählungen um Lieben und Leiden, um Monster und Magie - nichts weiter als Geschichten?

Schon mit Zwölf spürte ich, dass daran irgendetwas falsch war.

Fantasy, das ist doch nur Wirklichkeitsflucht.

Ich mochte den Deutschunterricht in der Schule trotzdem weiterhin.

Ich mochte ihn, weil es darin um Bücher und Lesen ging.

Und ich mochte ihn, weil man dort schreiben konnte.

 

Wenig später begann ich auch außerhalb der Schule zu schreiben.

Ich verbrachte einen Urlaub am Gardasee damit, meinen ersten Roman zu Papier zu bringen.

Ich wurde älter und ich schrieb weiter.

Mehr und mehr merkte ich, dass viele Fantasy als etwas betrachteten, das nicht ganz für voll zu nehmen ist. Wahlweise war Fantasy etwas für Spinner (den eher liebevollen »Nerd« gab es noch nicht), oder bloß etwas für Kinder. Mal war es Schmuddelliteratur, mal überhaupt keine »richtige« Literatur. Der Lehrplan in der Schule hält seit 200 Jahren ausgestorbene Gedichtformen für wichtig, ignoriert höchst lebendige Gegenwartsliteratur aber völlig.

Und mir wurde mehr und mehr klar, dass ich nicht bereit war, mich damit abzufinden.

 

Fantasy, das ist doch nur Wirklichkeitsflucht.

 

Der Herr der Ringe ist eine Geschichte um Freundschaft und Opferbereitschaft. Harry Potter erzählt von der Angst, anders zu sein. Das Lied von Eis und Feuer zeigt den Kampf um die Macht.

Freundschaft, Anderssein, Machtkämpfe - unsere Welt ist voll von diesen Dingen. Ihretwillen werden Kriege geführt, Menschen verfolgt, Tränen vergossen und Tränen gelacht.

Fantasy findet für die Dinge, die uns am stärksten berühren, die lebendigsten Bilder.

Harrys Fahrt mit dem Hogwarts-Express? Der Schritt von der Kindheit ins Leben, das man sich selbst erkämpft.

Mordors Ork-Armeen? Das hässliche Gesicht des Krieges.

Daenerys´ Drachen? Uralte Symbole der Herrschaft.

Hier die billige Fantasy-Literatur und dort die anerkannte Literatur, das ist nicht mein Ding.

Warum soll gute Unterhaltung nicht zugleich offizielle Anerkennung finden?

Wir werden noch ein paar dicke Bretter bohren müssen, bevor sich das durchsetzt.

 

Mein Bohrer wurden meine Bücher.

 

Ich veröffentlichte als Student meine erste Kurzgeschichte - und gewann den ersten Preis des Amazon-Kurzgeschichtenwettbewerbs. Im gleichen Jahr veröffentlichte ich meinen ersten Roman - und gewann damit den dritten Platz des Deutschen Phantastik-Preises in der Kategorie »Bestes Debüt national«. 

Heute schreibe ich meine Luzifer-Reihe - und gewann damit 2015 den Selfpublisher-Preis der größten deutschen Fantasy-Zeitschrift Nautilus.

Übrigens bin ich inzwischen auch selbst Lehrer für Deutsch und Literatur geworden. Und jeder Schüler mit einem Fantasy-Buch ist in meinem Unterricht herzlich willkommen.

 

 


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