Eine Rezension schreiben

Buch oder Film - wie schreibe ich eine gelungene Kritik?

Du suchst neuen Lesestoff und möchtest wissen, was sich wirklich lohnt? Du bist neugierig auf einen Kinofilm und möchtest dich vorab informieren?

Leider ist das Lesen von Rezensionen nicht immer ergiebig, manchmal sogar regelrecht ärgerlich. Das liegt daran, dass selbst professionelle Rezensenten oft Grundregeln der Kritik ignorieren.

 

Ich habe hier einmal die Wichtigsten zusammengefasst:

 

Achtung Spoiler: Es geht um einen Jungen, der zaubern kann.
Achtung Spoiler: Es geht um einen Jungen, der zaubern kann.

Muss ich den Inhalt wiedergeben?

Nein.

 

Echt nicht?

Na gut, manchmal doch. Eine kurze Einführung in den Inhalt ist wichtig, damit der Leser abschätzen kann, ob das Werk ihn interessiert. Er kann dann z.B. das Genre einschätzen (»Endlich mal wieder eine klassische Detektivgeschichte!«) oder die Hauptfigur (»Eine alleinerziehende Mutter - genau wie ich!« oder »Cool, ein Schwarzmagier!«)

Faustregeln:

1. Inhalt ist eher verzichtbar, wenn das Werk schon bekannt oder häufiger rezensiert worden ist (Harry Potter, die Bibel). In diesen Fällen genügt ein kurzer Link zu einer Inhaltsangabe.

2. Nicht zu viel verraten. Dein Lehrer in der Schule hat sich gefreut, wenn deine Inhaltsangabe vollständig war. Deine jetzigen Leser kriechen durchs Internet, um dich zu erwürgen, wenn du das machst.

3. Wenn du doch einmal mehr verraten willst: ausdrücklich und gut sichtbar vorher als Spoiler kennzeichnen. Den folgenden Text am besten z.B. durch Schrägschrift vom übrigen Text abgrenzen. Dann kann der Leser ihn auf Wunsch überspringen.

Profis arbeiten mit grünen und roten LEDs am Daumen.
Profis arbeiten mit grünen und roten LEDs am Daumen.

 

Darf ich meine eigene Meinung einbringen?

Ja.

 

Muss ich nicht eigentlich objektiv sein?

Ja.

 

Was denn jetzt: Meinung oder objektiv?

Beides.

 

Hä?

Zunächst einmal: Niemand interessiert sich für deine Meinung. Viele Leser im Internet kennen dich nicht. Sie interessieren sich für das Buch oder den Film, nicht für dich. Dennoch gibt es gute Gründe, seine Meinung kundzutun. Ich nenne nur den Wichtigsten: Es ist ehrlicher. Der Leser weiß dann, wo du stehst, und kann deine übrigen Ausführungen entsprechend einschätzen.

Eigentlich möchte er aber etwas über das Buch oder den Film erfahren. Das setzt Objektivität voraus. Es geht erstens um die Sache, zweitens um deine Leser und drittens auf keinen Fall um dich.

 

Wie schreibe ich meine Meinung?

Das ist einfach. Du hast vor Spannung vergessen, dein Popcorn zu essen? Schreib das! Du hast dich so gelangweilt, dass du angefangen hast, mit deiner Sitznachbarin zu fummeln, obwohl das deine Tante Erna war? Schreib genau das!

Wichtig ist die Grundhaltung: Der andere ist immer der Depp.
Wichtig ist die Grundhaltung: Der andere ist immer der Depp.

 

Wie schreibe ich objektiv?

Das ist der knifflige Teil. Unsere Wahrnehmung ist immer subjektiv. So wie du das Werk siehst, so sieht es niemand sonst. Damit deine Rezension dennoch für andere Menschen Wert hat, kannst du auf folgende Methoden zurückgreifen:

 

1. Meinungen begründen

Klingt logisch, wird aber verflucht oft ignoriert. Jede - ich wiederhole: Jede deiner Aussagen ist begründungspflichtig. Dafür muss oft erst einmal Hirnschmalz investiert werden. Warum war das Buch überhaupt langweilig? Ist zu wenig passiert? Oder lag es daran, wie der Autor die Ereignisse schildert?

Zum Film Superman versus Batman liest man zum Beispiel derzeit in vielen Reviews, er habe zu harte Schnitte. Das ist natürlich Unfug. Viele Filme setzen dieses Stilmittel sehr erfolgreich ein. Wenn jemand meint, dass die harten Schnitte hier stören, muss er begründen, warum das so ist.

 

2. Publikum prüfen

Das passiert leider oft nicht. Buchkritiker lesen allein im stillen Kämmerlein. Professionelle Filmkritiker sehen Filme in Vorabvorführungen gemeinsam mit anderen Profis. Dabei geht den Rezensenten der Blick für die normalen Kunden verloren.

Eine gute Rezension muss aber die Frage beantworten, ob das Werk für sein Zielpublikum geeignet ist.

Bei Filmkritiken hilft da ein einfacher Test: Sieh dich bei einer normalen Vorführung mal im Publikum um. Bist du männlich und um dich herum sitzen überwiegend Frauen? Bist du Ende Vierzig und umgeben von Twens? Siehst du aus, als wärst du auf dem Weg in die Oper und um dich herum sind lauter Heavy-Metal-Fans? Wenn du solche Unterschiede bemerkst, bist du wahrscheinlich nicht das Zielpublikum des Films. Entsprechend vorsichtig solltest du deine Rezension verfassen.

Beispiel: Du fandest Deadpool nervig wegen der vielen doofen Sprüche? Aber um dich herum haben die Leute doch gelacht, oder?

Eine schlechte Rezension behauptet nun: ein Held so strunzdumm, aber leider, leider nicht so schweigsam wie mein Goldfisch.

Der gute Kritiker ist sich des Unterschieds zum Zielpublikum bewusst und schreibt: Deadpool weiß Freunde platten Humors zu begeistern.

Diesen Satz können die einen als Einladung und die anderen als Warnung verstehen.

Gute Kritiker erkennen den Unterschied.
Gute Kritiker erkennen den Unterschied.

3. Objektiv urteilen I: Erwartungen abgleichen

Kann man überhaupt objektiv urteilen? Klar kann man das. Wenn du ein Auto kaufst, dann darfst du objektiv erwarten, dass es fährt. Das ist nicht etwa deine persönliche Meinung, sondern etwas, das jederzeit für jedes Auto gilt. Vergleichbare objektive Ansprüche gibt es auch in Rezensionen.

Werke müssen die Erwartungen erfüllen, die sie selbst geweckt haben. Wenn das Buchcover einen einsam in den Sonnenuntergang reitenden Cowboy zeigt, dann muss der Roman auch ein Western sein. Alles andere würde viele Käufer enttäuschen.

Eine wichtige Frage in jeder Rezension ist daher: Hält das Werk, was Werbung und Genre versprechen?

Gegen diese Regel wird häufiger verstoßen, als man meinen könnte. Das hat systemische Gründe. Werbung und Werk werden oft von unterschiedlichen Personen gestaltet. In der Marketingabteilung aber ist das Interesse am Inhalt eher gering und die Versuchung groß, nur kurzfristig den Umsatz anzukurbeln. Hinzu kommen formale Rahmenbedingungen. Ein Filmtrailer von vielleicht 120 Sekunden Länge ist prima geeignet, um schnell ein paar Gags, Action und Spezialeffekte zu zeigen. Den langsamen Verfall einer Beziehung oder die überraschende Wendung in der 97sten Filmminute kann er weniger gut transportieren. Daher haben Trailer oft »Schlagseite«: Sie verschieben Akzente und wecken falsche Erwartungen. Als guter Rezensent legst du das natürlich gnadenlos offen.

 

4. Objektiv urteilen II: Vergleichsmaßstab finden

Wer etwas objektiv bewerten will, braucht dafür einen anderen Maßstab als sein eigenes Dafürhalten. Ein guter Maßstab ist das Genre-Typische. Es entspricht nämlich genau dem, was das relevante Zielpublikum erwartet.

Beispiel: In den letzten 20 Jahren ist es üblich geworden, dass die Nahkampfszenen in Actionfilmen sich fernöstlicher Kampftechniken bedienen (auch wenn oft schleierhaft bleibt, warum der Held sie eigentlich beherrscht). Zeigt ein Actionfilm stattdessen einfache Faustkämpfe, sollte man darauf hinweisen. Positiv (»Die klassisch inszenierten Kampfszenen verzichten auf den hopsenden Schnickschnack vieler neuerer Filme«) oder negativ (»Für das heutige Kung-Fu-verwöhnte Publikum wirken die betulichen Boxkämpfe eher lahm«), aber auf jeden Fall hinweisen.

 

Darf ich denn gar keinen Verriss mehr schreiben?

Ein saftiger Verriss hat zwei Vorteile: Der Rezensent schreibt sich damit seinen Frust über das Machwerk von der Seele. Und wenn er seine Arbeit gut macht, ist es ein Vergnügen, seine Schimpfkanonaden zu lesen.

Aber in aller Klarheit: Ein Verriss ist eigentlich keine Rezension.

Er ist eher vergleichbar mit einer Kabarett-Veranstaltung. Niemand besucht die Vorstellung, um sich über die Politik der Bundesregierung zu informieren. Das Publikum hat hingegen bereits eine (meist kritische) Meinung und möchte nun, dass der Künstler es denen »da oben« mal so richtig zeigt - und das möglichst originell und witzig.

Wenn du also einen Verriss schreiben möchtest, dann tue das. Aber sei bitte so fair, nicht »Rezension« oder gar »Filmanalyse« darüber zu schreiben. Das ist es nämlich nicht.

Eine gute Rezension ist unter anderem eine Entscheidungshilfe für den Leser: Würde ihm das Buch gefallen? Ist der Film etwas für ihn?

 

 

Zusammenfassung:

Wie man eine gute Rezension schreibt

1. Inhalt nur anreißen, Spoiler kennzeichnen

2. Publikum prüfen, sich selbst prüfen, Unterschiede berücksichtigen

3. Werk mit Werbe-Erwartungen abgleichen

4. Werk vergleichen mit Genre-typischen Vertretern

5. Verriss ist Beschiss, eine gute Rezension informiert und begründet

 


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