Eine Zeitreisegeschichte
Rezension vom 29.12.2013
Stephen King hat wieder mit über 1000 Seiten zugeschlagen. Jeder, der einmal in Kings Büchern versunken ist, wird die magische Anziehungskraft dieser Meldung bekannt sein. Mit leichtem Sabbern stürzte ich mich also ins Werk.
Der Inhalt
Jake Epping erhält einen sonderbaren Anruf: Al Templeton, bisher lediglich Jakes bevorzugter Burger-Brater, bittet ihn um Hilfe. Doch damit nicht genug der Merkwürdigkeiten, denn Al, gestern Abend noch kerngesund und rüstig, ist über Nacht plötzlich todkrank und alt geworden. Der verdutzte Jake wird von Al in sein Geheimnis eingeweiht: Ein Riss im Raumzeitkontinuum existiert in seiner Frittenbude! Der Sterbende fleht darum, seine Lebensaufgabe zu vollenden. Jake soll zurück in die Vergangenheit reisen und den Anschlag auf John F. Kennedy verhindern.
Meine Meinung
Spannend! Das wird bei King nicht verwundern, ist aber erneut geglückt. Die 1000 Seiten flutschen nur so hinein. Auch in anderlei Hinsicht bleibt sich der Autor treu: Die Figuren pflegen permanent Fäkalsprache, selbst dann, wenn sie laut Erzähler so etwas normalerweise nie tun.
King schildert uns das – sauber recherchierte – Amerika der 50er-Jahre. Das gelingt ihm atmosphärisch dicht. Die Sicht der Hauptperson ist dabei nostalgisch verklärt. Erst mit Fortgang der Handlung zeigen sich die Schattenseiten der guten, alten Zeit: Rassendiskriminierung, Sexismus, Verelendung.
Ein nettes Wiedersehenl gibt es in Derry. Ja, genau, jene Kleinstadt, in der bereits Kings „Es“ spielt. Und der Autor haucht hier seinen früheren Romanfiguren per Selbstzitat neues Leben ein.
Da der Anschlag eine Zeitreisegeschichte ist, tauchen auch die Probleme auf, die Freunde des Genres kennen. Veränderungen der Vergangenheit sind mit der Zukunft rück- (oder vor-?)gekoppelt, selbst kleinste Änderungen können dank Schmetterlingseffekt große Wirkungen erzielen. Und nicht zu vergessen die zentrale Frage, ob es überhaupt möglich ist, etwas zu verändern, was bereits gewesen ist.
Dem Anhang lässt sich entnehmen, dass das Ende des Buches Kings Sohn eingefallen ist. Der Filius hat seine Arbeit gut gemacht, es ist sehr gelungen in seiner Mischung aus klarem Abschluss und offenem Element.
Ein Manko bleibt allerdings in der Zeitreisegeschichte bestehen. Ein Stück vor dem Ausklang erscheint buchstäblich aus dem Nichts eine Figur, deren einzige Funktion es ist, zentrale Zusammenhänge zu erklären. Das ist der klassische Deus ex Machina und eines Schriftstellers von der Güte Kings eigentlich unwürdig.
Zu vergleichen mit: Die Arena
→ Ein spannender Roman mit interessanten Themen, der kurz vor(!) Schluss nicht mehr ganz organisch wirkt.
Buchtipp: 8/10 Punkte