Rezension vom 15.12.2013
Literaturverfilmung von Peter Jackson (Regie)
Üblicherweise bekomme ich Schaum vor dem Mund, wenn jemand in meiner Anwesenheit Tolkien beleidigt oder Peter Jacksons Herr-der-Ringe-Trilogie missachtet. Endsprechend gespannt sah ich dem zweiten Teil von Der Hobbit entgegen. Hält er, was er verspricht? Wie ist der Drache? Wie sind die neu eingefügten Szenen?
Zum Inhalt
Bilbo, Gandalf und die Zwerge sind auf dem Weg nach Osten, um das Königreich unter dem Berg zurückzugewinnen. Sie werden noch immer von den Orks verfolgt, während Gandalf (60 Jahre vor dem Herrn der Ringe) herausbekommt, dass Sauron zurückgekehrt ist ...
Meine Meinung
Der Film verfügt über fantastische Bilder. Darüber wurde andernorts bereits viel gesagt. Ein Rezensent hat (meistens) zwei Augen und kommt nicht umhin, die Bildgewalt von Der Hobbit 2 zu bemerken. An dieser Stelle möchte ich daher von etwas anderem schreiben.
Hier geht es um die Fehler. Nicht Fehler, wie sie jedem guten Regisseur unterlaufen können. Sondern Fehler, die System haben. Fehler, die in Kinohighlights immer häufiger vorkommen.
Ich möchte dabei nicht verhehlen, dass ein Teil des Publikums diese Fehler gar nicht bemerkt. Um mich herum haben sich im Kino eine ganze Reihe Leute bei Smaugs Einöde prächtig amüsiert. Wer nur neuere Filme kennt, wird diese Art der Inszenierung möglicherweise normal finden. Wer der Meinung ist, ein guter Streifen bestehe nur aus Action und Humor, wird diese Fehler sogar für Qualität halten.
Tatsächlich bewirken sie aber eine ungeheure Verflachung des Kinos.
Um was für Fehler geht es hier?
Da ist zu allererst der Zwang, sich von Höhepunkt zu Höhepunkt zu hangeln. Wenn es nicht alle 10 Sekunden knallt und kracht, würde das Publikum ja unaufmerksam. Beispiel gefällig? Gandalf und Radagast sind zu einer Besprechung verabredet. Eigentlich könnte man nun in einer kurzen Überleitung sehen, wie Gandalf den ungewöhnlichen Besprechungsort aufsucht. Die Spannung wäre eine innere: Was ist das für ein seltsamer Ort? Warum wollen sich die Zauberer gerade hier treffen? Aber Zeit für innere Spannung hat der Film nicht. Das Publikum kommt gar nicht dazu, sich solche Fragen zu stellen, weil Gandalf a) plötzlich durch die Treppe stürzt, dann b) am Eingang einen Schacht hinabrutscht und schließlich c) von Radagast überrascht wird. Alle 10 Sekunden: Höhepunkt, Höhepunkt, Höhepunkt.
Generiert Der Hobbit einmal keine Spannungshöhepunkte, so muss er Komik darbieten. Z.B wird eine Romanze zwischen Zwerg Kili und Elbe Tauriel inszeniert. Man könnte die erste Begegnung beider nun so gestalten wie Sams Schwärmen für Frau Galadriel: als platonische Verehrung. Romantik ist etwas Zartes, das auf der Leimwand Zeit braucht, sich zu entwickeln. Stattdessen sprechen die Verliebten über die Größe von Kilis Penis. Gelächter im Saal. Ziel erreicht. Seele verkauft.
Das gleiche Niveau haben die permanenten Kommentare der Figuren. Nichts darf mehr im Kopf des Publikums stattfinden, alles muss breit getreten werden. Was sagen die Zwerge, wenn sie erkennbar Smaugs Einöde betreten. Sie sagen: »Das ist Smaugs Einöde.« Was sagen sie, wenn sie die mehrfach erwähnte und gezeigte Ruinenstadt Thal finden? Sie sagen: »Das ist die Ruinenstadt Thal.«
Auf diese Art werden ganze Szenen von Tolkiens Buch versemmelt. Etwa die Begegnung mit Beorn. (Ich spoilere hier nichts, was der Film nicht schon selbst kapputtmacht.) Im Buch müssen die Reisenden in seinem Anwesen zuerst zittern, weil sie nicht wissen, ob er Freund oder Feind ist. Gespannt versucht der Leser, den Gastgeber zu durchschauen. Im Film macht es Gandalf mit einem Satz kaputt: »Als Mensch kann man vernünftig mit Beorn reden.«
Im Buch wacht Bilbo nachts auf und hört furchteinflößende Geräusche im Haus. Man rätselt mit ihm, was dort Bedrohliches vor sich geht. Im Film führt Gandalf die Figur Beorn gleich mit den Worten ein: »Das ist übrigens ein Hautwechsler. Mal ist er ein Mensch, mal ein Bär.« Schwupp - Geheimnis verraten, Rätsel futsch.
Und dann der Humor: immer und immer wieder. Andauernd streiten die Gefährten um ihr Leben. Aber von Spannung keine Spur. Der Hobbit inszeniert perfekte Choreographien, um die Kämpfe zu komischen Nummern zu machen. Abgeschlagene Orkköpfe fliegen stets genau dahin, wo es am lustigsten ist. Der Film wirkt streckenweise wie seine eigene Parodie. Bilbo Beutlin ist nur noch eine Lachnummer. Genau wie die Hälfte der Zwerge, Radagast und der Bürgermeister von Seestadt wird er zum bloßen Gaglieferanten reduziert. Beispiel gefällig?
Bilbo schleicht sich in die Kaverne des Drachen. Natürlich darf er nicht den kleinsten Laut von sich geben, da Smaug sonst erwachen und ihn töten würde.
Und was macht Bilbo, während er sich anschleicht? Er klopft an die Tür und sagt: »Halloooo? Jemand zu Hause?«
Schade, Tolkiens Bilbo war eigentlich kein Schwachkopf. Aber Peter Jackson ist bereit, ihn für einen billigen Lacher zu opfern.
Wo sind die getragenen Szenen aus dem Herrn der Ringe? Wo die Atmosphäre, die sich entfaltet? Keine Zeit dafür! Höhepunkt, Höhepunkt, Höhepunkt.
Diese Atemlosigkeit wird mit dem Verlust stimmungsvoller Szene erkauft. So geht unter anderem das Zeitgefühl verloren. Man hat das Gefühl, die Reisenden würden halb Mittelerde an einem Nachmittag im Dauerlauf durchqueren. Von Tolkiens ein Jahr dauernder Reise ist nichts zu spüren. So ist z.B. ständig Sonnenuntergang. Bei den Elben? Sonnenuntergang. Am Ufer des Langen Sees? Sonnenuntergang. Am Einsamen Berg? Sonnenuntergang. Sonnenuntergang ist halt auch schön. Und das ist es, was der Film schafft: schön aussehen. Sogar wenn er dafür Unfug in Kauf nehmen muss. So strebt die Gruppe die ganze Zeit über dem Sonnuntergang entgegen, obwohl sie nach Osten reist. (Selbst in Mittelerde geht die Sonne im Westen unter, nur am Filmset von Peter Jackson kommt die Umnachtung von allen Seiten.)
Und dazu die Dialoge. Man könnte sich den Film ohne Ton anschauen und würde nichts Wichtiges verpassen. Knapp drei Stunden Gesülze. Die Texte wirken wie schlecht aus dem Herrn der Ringe zusammengeschnitten. Oft werden einfach Fantasy-Versatzstücke aneinandergereiht: Es wird Krieg geben, das Böse erhebt sich, die Welt wird brennen usf. Bläh, Blubber, Blub. Was sagt der Ork, der im Verhör mit dem Elbenkönig Saurons bevorstehenden Überraschungsangriff auf keinen Fall ausplaudern darf? »Es wird Krieg geben.« Uuund: nächste Szene versemmelt. Was tut der Elbenkönig daraufhin? Er köpft den Ork. Klar, was man mit Gefangenen, die kurz davor stehen, alle Pläne des Feindes auszuplaudern, eben so macht. Uuuund: nächste Szene versemmelt.
Auch führt der ausgesprochene Mangel an Originalität bei Plot und Dialogen dazu, dass die Handlung durchgängig vorhersehbar ist.
Nicht vergleichbar mit: Der Herr der Ringe
→ Ein Film, der bei tollen 3D-Bildern flach bleibt.
Filmempfehlung: optische Perfektion 10/10 Punkte, Rest: 3/10 Punkte